Monthly Case

Epilepsie 50 Jahre totgeschwiegen | Juni 2015

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Eine 67-jährige Patientin stellt sich in Begleitung ihrer Tochter in einer unserer Epilepsie-Ambulanzen vor. Die Patientin berichtet, dass seit dem Schulkindalter, konkret seit dem 9. Lebensjahr, täglich mehrfach Absencen auftreten. Zudem sei es etwa 5 Jahre später erstmals zu tonisch-klonisch generalisierten Anfälle gekommen. Erst dann wurde die Diagnose einer Epilepsie gestellt, es wurde eine Therapie mit Ethosuximid begonnen.

Nach kurzer Zeit wurde das Antiepileptikum wieder abgesetzt, seitdem nimmt die Patientin keine Antiepileptika mehr ein. Sie und ihre Tochter berichten, dass die Epilepsie in der Familie der Patientin, also durch ihre Eltern und ihre Geschwister, totgeschwiegen worden sein. Es hätte einfach nicht sein dürfen, dass ein Familienmitglied an einer Epilepsie leidet.

Der Tochter sei zwar aufgefallen, dass bei ihrer Mutter mehrfach täglich kurze Abwesenheiten aufgetreten seien; die Patientin habe sich aber über Jahrzehnte geweigert, einen Neurologen aufzusuchen. Nachdem zunehmend Konzentrationsstörungen aufgetreten waren, stellte sich die Patientin dann doch in der Epilespie-Ambulanz vor. Im EEG zeigten sich sehr häufige Spike-Wave-Komplexe mit 2-3/s für die Dauer von 3 Sekunden. Auf der Basis der Anamnese und des eindeutigen EEG-Befunds wurde die Diagnose einer kindlichen Absence-Epilepsie gestellt.

Unter der antiepileptischen Therapie mit 900 mg Valproinsäure täglich traten nach Angaben der Tochter 3 Monate später „kaum noch“ Absencen auf, und ein Kontroll-EEG zeigte nur noch vereinzelt Spike-Wave-Komplexe.

Zusammengefasst zeigt dieser Fall, dass Epilepsien auch heute noch – gerade bei älteren Patienten – stark stigmatisiert sind. Dieser Fall zeigt zudem, dass auch nach hundert Tausenden von Absencen das Ansprechen auf die Gabe von Antiepileptika unverändert gut ist.

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