Monthly Case
Epileptischer oder Ohnmachtsanfall? | April 2015
>> back to HomepageEin 15-jähriger Patient kommt in unsere Klinik zur Klärung der Frage, ob seine seit 6 Monaten auftretenden plötzlichen Bewusstseinsverluste mit nachfolgendem Sturz epileptische oder andere Anfälle sind. Unter anderen Anfällen versteht man z.B. Ohnmachtsanfälle (= Synkopen), sehr viel seltener sind kataplektische Anfälle, die im Rahmen der Erkrankung Narkolepsie auftreten können. Der Patient selbst konnte zu den bisherigen Anfällen nur sehr wenige Angaben machen, da er sich an den größten Teil des Anfalls nicht erinnert.
In unserer Klinik sind alle Patientenzimmer und alle Flure und Aufenthaltsräume mit Video-Kameras ausgestattet, die die Aufzeichnung von Anfällen und deren nachträgliche Auswertung erlauben. Bei dem ersten der Anfälle steht der Patient in seinem Zimmer am Fenster und beginnt gerade, aus einer Flasche Wasser zu trinken. Nach wenigen Sekunden gleitet die Hand mit der Wasserflasche langsam nach unten, der Patient taumelt und fällt schlaff nach hinten auf den Boden. Innerhalb weniger Sekunden ist der ganze Körper tonisch versteift, nach weiteren 20 Sekunden zeigen sich Kloni an allen Extremitäten. Nach dem Anfall ist der Patient für 20 min. desorientiert. Zusammengefasst hat es sich bei diesem Ereignis eindeutig um einen tonisch-klonisch generalisierten epileptischen Anfall gehandelt. Im weiteren Verlauf der Untersuchungen inkl. einem Video-EEG-Langzeit-Monitoring lässt sich eindeutig die Diagnose einer juvenilen myoklonischen Epilepsie stellen. Irritierend bei dem oben beschriebenen Anfall war, dass der Muskeltonus zu Beginn schlaff war, dies lässt zunächst an eine Synkope denken. Auf der anderen Seite haben videographische Analysen von induzierten Synkopen an gesunden Probanden gezeigt, dass der Körper hier zu Beginn tonisch angespannt sein kann.
Dieses Fallbeispiel soll illustrieren, dass einzelne Zeichen und Symptome nie hinreichend sind, um bei Anfällen die richtige Zuordnungen zu treffen. Es bedarf immer der Betrachtung des gesamten Ablaufs und klinischen Bildes.