Monthly Case
Neuer Fall Dezember | Dezember 2015
>> back to HomepageEin 48-jähriger Mann erleidet seinen ersten tonisch-klonisch generalisierten epileptischen Anfall, er erinnert keine fokale Einleitung. Im zeitnah durchgeführten Kopf-MRT findet sich eine 2 cm große Struktur im Bereich von Amygdala und Hippocampus rechts, sie nimmt kein Kontrastmittel auf. Es handelt sich am ehesten um ein Gangliogliom; dies ein gutartiger Tumor, den der Patient wahrscheinlich schon seit vielen Jahren oder Jahrzehnten hat. Nach der neuen Definition von Epilepsie der Internationalen Liga gegen Epilepsie besteht schon nach einem Anfall bei Nachweis einer ursächlichen Läsion eine Epilepsie, da das Risiko für weitere Anfälle in den kommenden Jahren signifikant erhöht ist.
Unter ausführlicher Erhebung der Anfallsanamnese berichtet der Patient, dass seit seinem 30. Lebensjahr, d.h. seit mehr als 15 Jahren, mehrfach pro Monat Episoden von 10-15 sec. Dauer mit einem Gefühl von Druck und Wärme in der Magengegend auftreten würden. Mitunter „wandere“ dieses Gefühl auch nach oben bis in den Hals. Während dieser Episoden ist der Patient wach, bewusstseinsklar und voll reagibel. Er hat sich schon zweimal bei einem Gastroenterologen vorgestellt, eine Magenspiegelung blieb ohne pathologischen Befund.
Diese stereotypen Episoden mit Wärme und Druck im Magen entsprechen eindeutig epileptischen Auren, per Definition sind dies einfach-fokale sensorische Anfälle. Diese Anfallssemiologie passt gut zu einem Anfallsursprung in mesio-temporalen Strukturen. Auren haben für sich alleine keinen großen Krankheitswert, wären sie aber früher als solche erkannt worden, wäre auch die cerebrale Bildgebung früher durchgeführt worden. Glücklicherweise hat der Patient sehr wahrscheinlich einen gutartigen Tumor, dieser hätte aber auch bösartig sein können und wäre dann nicht sofort entdeckt worden.
Wir begannen eine antiepileptische Therapie mit Zonisamid, 300 mg täglich in Einmalgabe. Unter dieser Therapie reduzierte sich die Frequenz der Auren auf einmal monatlich. Jetzt da die Episoden mit Magendruck diagnostisch zugeordnet werden konnten, toleriert der Patient eine Aura pro Monat, er möchte die Dosis des Antiepileptikums nicht erhöhen. Das vermeintliche Gangliogliom wird einmal jährlich im MRT hinsichtlich seiner Größe und seiner inneren Struktur kontrolliert.
Dieser Fall zeigt, dass der „erste Anfall“ oft gar nicht der erste Anfall ist, es sollte immer eine sehr genaue Erhebung der Krankheitsgeschichte erfolgen.